Unruhen kratzten am Paradies-Image der Malediven

Tourismus kristallisiert sich als Mitverursacher des abrupten Machtwechsels in der Inselrepublik heraus.

Keine leichte Aufgabe haben die Tourismuswerber der Malediven in letzter Zeit, wenn sie ihre Insel mit dem Slogan „Still the Paradise“ propagieren. Exakt einen Monat nach dem Rücktritt von Präsident Mohamed Nasheed und anhaltenden Demonstrationen in Male rückt die ungebrochene Faszination der flachen Atolle inmitten des indischen Ozeans etwas in den Hintergrund.

Besonders im deutschsprachigen Raum gilt Nasheed als „Heiliger“. Immerhin hatte das renommierte „Geo“ in einer Titelstory den Ende 2008 ersten demokratisch gewählten Präsidenten der Inselrepublik als Vorläufer des „Arabischen Frühlings“gefeiert. „Wir geben Raum für Protest, auch der Ex-Präsident bewegt sich frei und kann mitmachen“, war eines der Statements, die Tourismusminister Ahmed Adeeb Abdul Gafoor in Berlin zu Protokoll gab. Keinesfalls sei der Tourismus exakt 40 Jahre nachdem die erste Hotelinsel eröffnet wurde durch die durchwegs gewaltfreien, sich auf Male konzentrierenden Proteste beeinträchtigt. Selbst auf Male könnten sich Gäste sicher bewegen, es habe während der Umwälzung keinerlei Opfer gegeben. Trotzdem kämen Buchungen aus dem deutschen Raum zur Zeit nur sehr zögerlich. 2011 habe es noch einen sprunghaften Anstieg von 77.000 auf 90.570 Touristen aus Deutschland gegeben. Insgesamt erhoffen die Malediven weiterhin 2012 erstmals mehr als eine Million Gäste im Land begrüßen zu dürfen. Das wäre ein Plus von rund sieben Prozent. Neue Inlandsflughäfen und eine weitere Domestic Fluglinie sollen das ermöglichen.

 

 

Gar nicht so leicht ist es, von den Regierungsvertretern eine Begründung zu erhalten, warum Nasheed von einem Tag auf den anderen die Segel strich. Die Erklärung, man könne es sich selbst nicht erklären, war dann doch hahnebüchern. Nasheed begründete seinen Rücktritt in einer Rede ja damit, nicht exzessive Gewalt gegen sein Volk anwenden zu wollen. „Wir wissen aber nicht, warum er das glaubte, tun zu müssen“, zeigt sich Gafoor ahnungslos.

In Tourismuskreisen wurde knapp vor dem Regierungswechsel vor allem die Ankündigung bekannt und kritisiert, die Wellnessbereiche schließen zu wollen. „Wir wissen nicht, was unserem Vorgänger da eingefallen ist. Es gab für die Schließung keinerlei Anlass. Sie waren nie geschlossen und werden es unter unserer Regierung auch nie sein“, erklärte Gafoor. Ebenso seien Alkohol und Schweinefleisch für die Hotelbetriebe uneingeschränkt erhältlich. Das sei im islamischen Staat – einem von wenigen, die keine Religionsfreiheit dulden – gesetzlich geregelt.

Keineswegs seien nun islamistische Kräfte an der Macht. „Wir sind ein Kabinett von Technokraten, wir haben alle in den USA, Großbritannien oder Australien studiert und hegen Sympathie für den Westen“, sagte Gafoor in Berlin. Nasheed habe Ängste vor der Islamisierung international geschürt, die Umstände seines Rücktritts würden aktuell von einer britischen Untersuchungskommission geprüft. Als Nation sei man aber gegen jede ideologische Inanspruchnahme immun. Die 320.000 Einwohner seien typisch friedliche Fischer.

In einem Nebensatz kam man der Ursache für den Regierungswechsel, der von manchen auch als Putsch gesehen wird, näher. So wollte Nasheed auch die 220 ausschließlich von Einheimischen bewohnten Inseln vermehrt dem Tourismus öffnen. Gästehäuser sollten entstehen. Für den Vorsitzenden des maledivischen „Chamber of Commerce“ jedoch „ökonomischer Unsinn“: Die Transfers zu den Inseln seien derart kostspielig, dass eine billige Unterkunft niemand anlocken könne. Doch schon jetzt gibt es einige lokale Unternehmer, die vor allem Bootsausflüge durchführen – und immer öfter zur Übernachtung auf ihrer Insel laden.

Damit wird manches klarer. Nasheed, dem in diesem Zusammenhang auch eigene finanzielle Interessen unterstellt werden, ist zwischen zwei Fronten geraten: Einerseits die religiösen Fanatiker, die keinen Kontakt zwischen der Bevölkerung und den lasterhaften Touristen zulassen. Schon gar nicht von Frauen, für die es erst vor zwei Jahren möglich wurde, in den Hotels zu arbeiten. Natürlich keinesfalls in der Wellness, aber auch sonst kaum mit Gästekontakt. Dort sind Gastarbeiterinnen aus Bali oder Indien anzutreffen. Wenn aber etwa eine indische Gastarbeiterin als Masseuse viel Geld verdient, wird das auch für Maledivinnen zunehmend unverständlich. Denn die Heimischen dürfen durchaus im Ausland studieren, Jobs bleiben den Akademikerinnen dann daheim nur im Gesundheitssystem, in den Büros oder als Lehrerinnen. Mit entsprechend geringem Einkommen. Die zweite Front der sich Nasheed gegenüber gesehen haben dürfte, waren die „Reichen“. Jene kleine Schicht, welche die von den großen Hotelkonzernen genutzten Inseln besitzen. Diese wollen den Malediventourismus elitär und „hippiefrei“ halten.

 

 

 

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